Erhalten am 5. Januar 2016:
Lange Monate sind vergangen seit dem heissen Sommertag am beginn des Juli, an dem unsere Freundin und Kameradin bei einer Passkontrolle an der griechisch-bulgarischen Grenze verhaftet wurde. Der europaweite Haftbefehl wurde von der Staatsanwaltschaft Aachen, Deutschland, am 24 Juni 2015 ausgestellt. Nachdem sie 3 Wochen in bulgarischen Zellen verbrachte, wurde sie den deutschen Bullen am Flughafen von Sofia übergeben.
In Deutschland wurde sie unter dem U-Haft-Regime in Köln eingesperrt, wegen vermuteter Beteiligung an einem bewaffneten Banküberfall der zwei Jahre früher stattfand (2013). Unter diesem Regime werden Häftlinge, die auf ihren Prozess warten, eingesperrt, offiziell für maximal sechs Monate, was in Realität sehr oft auf eine Periode von über einem Jahr verlängert wird. In ihrem Fall bedeuteten die in Kraft gesetzten Beschränkungen, dass bei jedem Besuch (2 Stunden pro Monat) zwei Bullen, ein Wärter und ein Übersetzer anwesend waren, dass es ihr nicht erlaubt war, irgendwelche Telefonanrufe zu machen und dass jegliche Post zuerst an die Staatsanwaltschaft gesendet wurde, wo sie gelesen und ihr dann mit einem Monat Verspätung übergeben wurde.
Ihre Haft basierte auf einem einzigen Indiz: Eine DNA-Spur, gefunden auf zwei Gaspistolen (Druckluftpistolen), die auf dem Klo der Bank 11 Tage später von einem/einer Angestellten gefunden wurden. Vor ein paar Wochen, am 2. Dezember, nach Monaten der Untersuchung klagten die Kläger sie formell mit Bankraub, Geiselnahme und Waffenbesitz an. Diese Anklagepunkte wurden bei drei Richtern vorgebracht, die zu entscheiden hatten ob diese vor Gericht weiterverfolgt werden oder nicht. Am 16. Dezember, rief das Gericht das Gefängnis an, mit dem Auftrag unsere Kameradin freizulassen, weil alle Anklagepunkte fallen gelassen wurden, da die „Beweise“, die fünf Monate der Untersuchung ergaben, nicht ausreichend genug waren, um diesen Fall vor Gericht zu bringen.
Jetzt ist unser Kameradin zurück mit uns. Wie auch immer, die Freude die das bereitet ersetzt nicht, noch lässt sie uns vergessen, unsere Wut gegen die isolierenden Beschränkungen, die Lächerlichkeit des Uniformen-Zirkus’ und gegen jedes autoritäre System das auf solche Art und Weise mit den Leben der Leute spielt. Die grösste Kraft-Quelle kam von der kompromisslosen und unkooperativen Haltung die unsere Kameradin einnahm: Sie behielt immer ihren Kopf hoch und ihren abweichenden Geist am Leben.
Wie die meisten Rebellen und Anarchisten wissen, kann uns die Repression in jedem Moment treffen, weil der Staat sehr weit gehen wird, um sein Gesetz und seine Ordnung aufrechtzuerhalten und die Verbreitung unserer Ideen zu verhindern. In diesen Momenten ist es einfach, sich in einem Spiel der Strategie und Angst geködert und eingeschlossen zu fühlen, das genaue Wesen unserer Feinde.
In diesen Momenten müssen wir uns erinnern, dass wir andere Werkzeuge und Praxen haben um diese Erstickung zu bekämpfen. Nur wenn wir ihre Strategie mit unserer eigenen rebellischen Intelligenz und verankerten Ethik bekämpfen, und Angst mit Zuversicht in unsere Komplizenschaften, Affinitäten und Kämpfe, können diese Momente zu mehr werden, als das wir uns nur dem technischen und juridischen Aspekt des Staates, der eine von uns einsperrt, hergeben.
Genau in diesen Momenten von Stress, Groll und Traurigkeit ist es wichtig uns nicht einschüchtern zu lassen oder versucht zu werden, unsere eigenen Ideen, Beziehungen und Kämpfe anzuzweifeln. Auch wenn mit beiden Füssen am Boden, den Geist wach und unsere herzen brennend zu halten in diesen Momenten anspruchsvoll sein kann, sind vielmehr wir diejenigen, die uns diese wegnehmen lassen, und nicht die Freiheit einer Kameradin; wir sind die einzigen die ihre Logik, die sich in uns einnistet, bekämpfen können.
Unsere Ideen und Kämpfe schmieden sich im Hass gegen Gefängnisse und die Welt die sie braucht. Der Kampf gegen diese Strukturen und die, die sie möglich machen, beinhaltet, unser Verlangen, all ihre Türen zu öffnen und diese Säulen dieser autoritären und kapitalistischen Gesellschaft zu zerstören, auszudrücken und zu erweitern. Konfrontiert mit irgendeinem repressiven Angriff, ist es entscheidend, diese Ideen weder zu vergessen, noch zur Seite zu legen; wir können eine Perspektive nur durch aktive Solidarität aufbauen, in der Fortsetzung unserer Kampfprojekte gegen alle Manifestationen dieser Gefängnis-Gesellschaft.
Wir sind mit den Worten unserer Kameradin einverstanden und weigern uns in Begriffen von „Unschuld“ und „Schuld“ zu sprechen. Diese Worte gehören zur Sprache der Staatsanwälte und Richter im Dienste der Politiker und Bosse. Worte die ihr System der Ausbeutung und Kontrolle unterstützen. Als Anarchisten ist das für uns eine Sprache, die wir uns weigern, zu sprechen – wir spucken auf sie.
Der Grund, wieso wir ihren Namen nicht publiziert haben, auch hier nicht publizieren, ist um nicht die oft ablenkende und verzerrende Rolle der Heldin oder des Opfers, der anarchistische Gefangene oft unterworfen sind, mit Brennstoff zu versorgen. Sie war eine gefangene anarchistische Kameradin unter vielen anderen, die niemals vergessen noch bejubelt werden, sondern präsent sind in der Fortsetzung unserer Kämpfe und Projekte, und in unseren subversiven Taten gegen diese etablierte Ordnung.
Solidarität mit all denen, die gegen Gefängnisse kämpfen, drinnen und draussen.
Solidarität denen, die Angesichts repressiver Schläge noch immer das Bedürfnis und den Mut fühlen, weiterhin für ihre Ideen und Projekte zu leben und zu kämpfen.